Fiktive Abrechnung

Fiktive Abrechnung: Alle Details zur Unfallregulierung

Im Jahr 2019 wurden in Deutschland mehr als 2,6 Millionen Verkehrsunfälle erfasst – das entspricht mehr als 7.000 Unfällen pro Tag! Die Geschädigten stehen anschließend vor der großen Herausforderung der Schadensregulierung. Wer muss informiert werden?

Was ist überhaupt zu tun? Und wie lässt sich der Schaden am eigenen Fahrzeug am besten beheben? Neben der klassischen Schadensregulierung, der konkreten Abrechnung, machen viele Geschädigte von der fiktiven Abrechnung Gebrauch. Wir erklären, wobei es sich darum handelt und welche Voraussetzungen für eine fiktive Abrechnung mit der Versicherung erforderlich sind.

 

Was ist die fiktive Abrechnung?


Wenn Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt werden, an dem Sie keine Schuld tragen, dann muss die Kfz-Versicherung des Unfallgegners für die Schadensregulierung aufkommen. In der Regel übernimmt die Versicherung die Kosten für die Reparatur, die Wertminderung und den Nutzungsausfall. Allerdings bleibt es ihnen überlassen, ob Sie Ihr Fahrzeug reparieren lassen oder sich die Reparaturkosten lediglich auszahlen lassen. Diese Art der Schadensregulierung wird auch als „Abrechnung auf Gutachtenbasis“ bezeichnet. Sie verzichten demnach auf eine Reparatur des Schadens und bekommen im Gegenzug die Reparaturkosten ausgezahlt.

Unterschied: Fiktive vs. konkrete Schadensabrechnung

Der Unterschied zwischen einer konkreten und einer fiktiven Schadensabrechnung ist demnach vor allem die Durchführung oder eben Nicht-Durchführung der Reparatur. Bei einer konkreten Abrechnung lassen Sie den Schaden von einer entsprechenden Fachwerkstatt durchführen. Die gegnerische Versicherung erhält daraufhin die Rechnung, die sie zu begleichen hat. Für Sie entstehen somit keine Kosten. Wenn Sie die Reparaturen allerdings nicht durchführen möchten, dann liegen Ihnen auch keine Werkstattbelege vor, die Sie bei der Versicherung einreichen können. In diesem Fall zählt das Gutachten eines Sachverständigen. Dieser ermittelt die Höhe der Reparaturkosten, die bei einer vollständigen Beseitigung des Schadens anfallen. Jedoch kann es in diesem Fall zu Streitigkeiten mit der gegnerischen Versicherung kommen. Während der Gutachter die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt für seine Kostenberechnung nutzt, verlangt die Versicherung oft günstigere Tarife einer Freien Werkstatt. Allerdings muss die Versicherung in diesem Fall beweisen, dass der Schaden mit den gleichen Standards einer Fachwerkstatt behoben wird. Außerdem sollten Fahrzeuge, die sich noch innerhalb der Garantie befinden, immer von der Fachwerkstatt repariert werden. Auch dies gilt als triftiges Argument für die höheren Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt.

Wann ist die fiktive Abrechnung eine Alternative?

Eine fiktive Abrechnung macht immer dann Sinn, wenn es sich um ein älteres Fahrzeug handelt, bei dem sich eine Reparatur nicht mehr unbedingt lohnt. Sofern das Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher ist, muss der Schaden nicht zwingend behoben werden. Sollten kleinere Reparaturen notwendig sein, dann können diese auch anteilig berechnet werden. Das gilt beispielsweise, wenn der Scheinwerfer ausgetauscht, die Dellen in der Motorhaube oder dem Kotflügel allerdings nicht ausgebessert werden. Außerdem wird die fiktive Abrechnung meist genutzt, wenn der Eigentümer sein Fahrzeug selbst und nicht in der Werkstatt repariert.

Wird die Mehrwertsteuer übernommen?

Wenn der Schaden nicht durch eine Werkstatt behoben wird, dann fällt auch keine Mehrwertsteuer dafür an. In diesem Fall hat die gegnerische Versicherung also lediglich die Nettokosten zu übernehmen. Sollte die Reparatur zumindest in Teilen erfolgen, etwa um das Fahrzeug wieder verkehrssicher zu machen, dann wird die Mehrwertsteuer anteilig dafür berechnet. Bei weiteren Kosten, die für den Geschädigten entstehen, beispielsweise Anwalts- oder Gutachterkosten, muss die Versicherung auch die Mehrwertsteuer übernehmen. Wenn Sie sich dazu entscheiden, dass Sie die Reparatur selbst vornehmen, dann können Sie Rechnungen für Ersatzteile einreichen. In diesem Fall muss die Versicherung den kompletten Rechnungsbetrag, also inklusive der Mehrwertsteuer, übernehmen.

Was wird bei fiktiver Abrechnung außerdem abgezogen?

Wie bereits zuvor erwähnt, kann es in Hinblick auf die Stundenverrechnungssätze zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Inhalt des Gutachtens und der gegnerischen Versicherung kommen. Viele Versicherungen arbeiten mit Partnerwerkstätten zusammen, die einen deutlich reduzierten Stundensatz anbieten. Für den Geschädigten besteht eine Schadenminderungspflicht – dazu später mehr – sodass die Versicherung den Stundensatz daher kürzen kann, sofern das Fahrzeug nicht älter als drei Jahre ist und in der entsprechenden Fachwerkstatt lückenlos scheckheftgepflegt ist. Darüber hinaus werden bei größeren Schäden oftmals Verbringungskosten berechnet, um die Kosten für den Transport von der Werkstatt zur Lackiererei zu decken. Sollte die Werkstatt hingegen über eine eigene Lackiererei verfügen, dann dürfen die Kosten der Verbringung entsprechend gekürzt werden. Um im Falle einer Reparatur die notwendigen Ersatzteile zu beschaffen, werden im Gutachten die sogenannten UPE-Aufschläge, also Ersatzteilaufschläge, berücksichtigt. Bei einer fiktiven Abrechnung entfällt die Beschaffung der Ersatzteile, sodass viele Versicherungen die Aufschläge kürzen.

Welche Kosten lassen sich bei der fiktiven Abrechnung geltend machen?

Neben den erwähnten Reparaturkosten, die sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ergeben, lassen sich weitere Kosten mit Hilfe der fiktiven Abrechnung geltend machen. Nach einem unverschuldeten Unfall, bei dem das eigene Fahrzeug stark beschädigt wurde, haben Sie in den meisten Fällen mit einem Nutzungsausfall zu kämpfen. Das bedeutet, dass Sie das Fahrzeug aufgrund des Unfalls nicht nutzen können, weil es sich für einen bestimmten Zeitraum in der Reparatur befindet. Bei einer fiktiven Abrechnung muss das Fahrzeug zwar nicht in die Werkstatt, dennoch können Sie Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum einer hypothetischen Reparatur einfordern. Das ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Sie den Schaden selbst reparieren und für diese Dauer auf öffentliche Verkehrsmittel oder einen Ersatzwagen angewiesen sind. Darüber hinaus können Sie auch Anwalts- und Gutachterkosten geltend machen.

Wer hat den Anspruch bei geleasten oder finanzierten Fahrzeugen?

Für geleaste oder finanzierte Fahrzeuge gelten bei der Schadensregulierung besondere Regelungen. Bei einem finanzierten Fahrzeug gilt die Bank in der Regel als Eigentümer, sodass diese auch über die Art der Schadensregulierung bestimmen kann. Möchte der Geschädigte eine fiktive Abrechnung in Anspruch nehmen, so braucht er in den meisten Fällen die Genehmigung der Bank. Außerdem steht die Entschädigung oftmals nicht zur freien Verfügung, sondern wird mit dem Kreditvertrag verrechnet. Je nach Finanzierung und Bank gelten hierfür andere Regelungen und Grenzen. Ähnlich sieht es bei einem Leasingfahrzeug aus, bei dem der Hersteller oder das Autohaus als Eigentümer fungiert. Reparaturkosten und Wertminderung erhält bei einem Leasingfahrzeug in der Regel der Eigentümer, also das Autohaus, während Kostenpauschale und Nutzungsausfall an den Leasingnehmer ausgezahlt werden.

Gutachten oder Kostenvoranschlag zur fiktiven Abrechnung?

Bei teuren Schäden, die eine Grenze von 750 Euro überschreiten und somit nicht mehr als Bagatellschäden zählen, ist die Erstellung eines Gutachtens immer notwendig. In diesem Fall bleibt Ihnen keine Wahl als einen unabhängigen Gutachter zu informieren. Die Kosten dafür müssen Sie nicht selbst übernehmen. Auch bei einer fiktiven Abrechnung ist der Sachverständige immer von der gegnerischen Versicherung zu zahlen. Das gilt auch für die Bagatellschäden. Sollten Sie sich bei einem geringeren Schaden dazu entschließen, den Gutachter einzuschalten, dann hat die Versicherung dies zu akzeptieren. Von diesem Recht sollten Sie Gebrauch machen. Denn im Vergleich zu einem Kostenvoranschlag bietet Ihnen das Gutachten zahlreiche Vorteile und kann bei einem rechtlichen Streit sogar zur Beweissicherung genutzt werden. Während im Kostenvoranschlag lediglich die Kosten für eine Reparatur berücksichtigt werden, sind im Gutachten auch Details zum Unfallhergang, zu einem Nutzungsausfall sowie einer möglichen Wertminderung berücksichtigt. Insgesamt befinden Sie sich mit dem Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen auf der sicheren Seite – ohne dafür zusätzliche Kosten in Kauf nehmen zu müssen.

Aufpassen: Bereicherungsverbot und Schadenminderungspflicht

Wer seinen Schaden über die fiktive Abrechnung regulieren möchte, der sollte an das Bereicherungsverbot und die Schadenminderungspflicht denken. Die Schadenminderungspflicht setzt voraus, dass der Geschädigte die Reparaturkosten nicht unnötig in die Höhe treiben darf, sondern nach dem günstigsten Preis für eine fachgerechte Instandsetzung schauen muss. Diese rechtliche Grundlage sorgt immer wieder für Streitigkeiten zwischen den Kosten im Gutachten, bei dem in der Regel mit den Stundenverrechnungssätzen der markengebundenen Fachwerkstatt gerechnet wird, und den ermittelten Kosten der Versicherung. Gleichzeitig gibt das Bereicherungsverbot vor, dass lediglich der Zustand vor dem Unfall hergestellt werden darf – und keine zusätzlichen Verbesserungen oder teurere Ersatzteile.

Fiktiv abrechnen – und das Fahrzeug verkaufen?

Wenn Sie den Unfallschaden über eine fiktive Abrechnung regulieren, dann sollten Sie sich vorher Gedanken darüber machen, was in den kommenden sechs Monaten mit Ihrem Fahrzeug passiert. Sollten Sie sich dazu entscheiden, dass Sie das Fahrzeug in der Garage stehenlassen oder sogar verkaufen, dann steht Ihnen lediglich der Wiederbeschaffungsaufwand, also im Grunde genommen der Schadenswert, zu. Allerdings gibt es auch in diesem Fall eine Ausnahme: Sobald Sie einen Zweitunfall nachweisen können oder nachträglich doch noch von der fiktiven in die konkrete Abrechnung wechseln, dann steht Ihnen der Verkauf des Fahrzeugs frei. Um unnötige Bürokratie und Arbeit zu vermeiden, sollten Sie jedoch vorab entscheiden, wie Sie mit Ihrem Unfallschaden und dem Fahrzeug in den nächsten sechs Monaten vorgehen möchten.

Ist die fiktive Abrechnung lohnenswert?

Eine fiktive Abrechnung lohnt sich vor allem dann, wenn der Schaden nicht besonders groß und Ihnen die Optik Ihres Fahrzeugs nicht so wichtig ist. Eine Delle in der Fahrertür oder ein Kratzer an der Stoßstange sehen nicht besonders schön aus, stören jedoch nicht an der Fahrbarkeit und Verkehrssicherheit Ihres Fahrzeugs. Vor allem bei alten Fahrzeugen, die ohnehin nicht mehr Glänzen und Strahlen, ist eine Instandsetzung in den meisten Fällen nicht mehr lohnenswert. Wenn Sie das Geld stattdessen lieber für andere Dinge ausgeben oder den Schaden selbst reparieren möchten, dann ist eine fiktive Abrechnung die passende Möglichkeit. Wenn Sie die Reparatur nach einigen Wochen oder Monaten durchführen möchten, dann sollten Sie hingegen direkt die konkrete Abrechnung nutzen. Andernfalls müssten Sie die Mehrwertsteuer aus eigener Tasche zahlen.

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